MTZ klärt auf - Interview mit Mona Habel
Viele Menschen reagieren auf den Begriff "Krafttraining" im Rahmen der physiotherapeutischen Therapie zunächst mit Skepsis – zu groß ist oft die Sorge vor Überlastung oder falscher Anwendung. Dabei ist eben dieses oftmals ein zentraler Baustein auf dem Weg zu mehr Stabilität, Belastbarkeit und Lebensqualität. Warum Krafttraining ein wichtiger Teil der Behandlung sein sollte, für wen es sinnvoll ist und worauf geachtet werden sollte, erklärt Physiotherapeutin Mona Habel im Experteninterview.
Mona, viele Menschen denken bei Krafttraining sofort an große Muskeln und intensives Training. Wie unterscheidet sich Krafttraining im therapeutischen Kontext davon?
Mona Habel: Das ist ein weit verbreitetes Missverständnis. Im therapeutischen Bereich geht es beim Krafttraining nicht darum, möglichst große Muskelmassen aufzubauen. Vielmehr steht die gezielte Stärkung bestimmter Muskelgruppen im Vordergrund, um die Stabilität der Gelenke zu verbessern und die Bewegungsabläufe sicherer zu machen. So können Schmerzen reduziert und die Belastbarkeit im Alltag gesteigert werden. Dabei fokussieren wir uns auf den funktionellen Kraftgewinn – also jene Kraft, die Menschen benötigen, um ihren Alltag oder die Zeit nach Verletzungen und Operationen besser zu bewältigen. Ein zielgerichtetes Training in der Therapie ist also darauf ausgerichtet, praktische und nachhaltige Verbesserungen für das tägliche Leben zu erzielen.
Das heißt konkret, dass Krafttraining dabei unterstützen kann, leidige Beschwerden zu lindern?
Mona Habel: Absolut. Studien zeigen eindeutig: Gezieltes Krafttraining ist eine der wirksamsten Maßnahmen beispielsweise bei chronischen Rückenschmerzen, Kniearthrose, Schulterproblemen oder nach Bandscheibenvorfällen. Die Muskulatur wird wieder aufgebaut, das Gewebe besser durchblutet, die Gelenke entlastet – und die Patienten gewinnen an Kontrolle, Stabilität und Schmerzfreiheit.
Aber ist Krafttraining nicht auch riskant, insbesondere bei älteren Menschen oder nach einer Operation?
Mona Habel: Grundlegend kann gesagt werden, dass Krafttraining sehr sicher ist. Die Grundvoraussetzung dafür ist aber natürlich, dass es korrekt und individuell auf den jeweiligen Patienten abgestimmt durchgeführt wird. Gerade bei älteren Menschen oder nach Operationen ist es somit besonders wichtig, dass die Übungen fachkundig angeleitet und überwacht werden. So können Fehl- oder Überlastungen vermieden und ausschließlich von den umfassenden Vorteilen profitiert werden. Langfristig trägt das zielgerichtete Training dann dazu bei, die allgemeine Lebensqualität nachhaltig deutlich zu verbessern.
Dennoch können auch passive Therapieformen sehr wertvoll sein, oder?
Mona Habel: Definitiv! Passive Therapieformen wie beispielsweise manuelle Behandlungstechniken oder auch Wärmeanwendungen können sehr hilfreich sein, um akute Beschwerden zu lindern und Entspannung zu fördern. Sie schaffen oft die Voraussetzung, um überhaupt wieder in Bewegung zu kommen. Doch auf lange Sicht reicht das allein meist nicht aus. Ein aktiver Therapieansatz – also gezieltes Training mit aktiver Beteiligung des Patienten – ist entscheidend, um die Ursache der Beschwerden zu behandeln, Muskeln zu stärken, Beweglichkeit zu verbessern und den Körper wieder belastbar zu machen. Nur so kann man nachhaltig etwas für die eigene Gesundheit tun und Rückfällen vorbeugen.
Ist ein medizinisches Training für jede/n geeignet?
Mona Habel: Grundlegend, ja. Ein medizinisches Training ist für die meisten Menschen geeignet, da es individuell auf den jeweiligen Gesundheitszustand und die persönlichen Ziele abgestimmt wird. Gerade weil es unter therapeutischer Anleitung durchgeführt wird, kann die Belastung exakt angepasst und gezielt gesteuert werden – ob in der Rehabilitation, bei chronischen Beschwerden oder zur allgemeinen Kräftigung. Wichtig ist jedoch: Wie bei jeder Therapieform gibt es auch hier bestimmte Kontraindikationen. Akute Entzündungen, instabile Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder nicht abgeklärte Schmerzen können Gründe sein, ein Training zunächst auszusetzen oder besonders vorsichtig anzugehen. Deshalb ist vor dem Start immer eine sorgfältige Anamnese und gegebenenfalls die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt notwendig. Mit der richtigen Begleitung bietet medizinisches Training aber für viele eine sichere und sehr wirkungsvolle Möglichkeit, aktiv etwas für die eigene Gesundheit zu tun.
Mona, vielen Dank für das Interview.